Lurch des Jahres 2019 - der Bergmolch

Ein Bericht von Prof. Dr. Martin Kraft

Bergmolch © RAVON – Fotograf: Jelger Herder

Beim Denken an meine Kindheit kommen mir immer wieder Amphibien in den Sinn, weil Kröten, Frösche, Salamander und Molche früher viel häufiger waren als heutzutage. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich als kleiner Junge meine ersten Molche sah. Es war in der inzwischen lange als Naturschutzgebiet ausgewiesenen „Kehnaer Trift“ bei Kehna, einem damals nicht mal 100 Einwohner zählenden Örtchen westlich von Niederwalgern, meinem Geburtsort im schönen Mittelhessen. Es war ein wunderschöner Tag im Mai mit ringsum singenden Nachtigallen, Mönchs-, Garten-, Dorn- und Klappergrasmücken und vielen Fitissen sowie einem Heer anderer Vogelarten. Zudem hörte man die glockenähnlichen Rufe der männlichen Geburtshelferkröten, die damals zu Hunderten in der „Kehnaer Trift“ vorkamen. Das Gebiet diente einst dem Abbau von Schiefer, denn Kehna zählt geologisch schon zum „Rheinischen Schiefergebirge“ (Rothaargebirge). So gab es sehr warme mit Schiefer bedeckte Hänge, aber auch kleine fast vegetationsfreie Tümpel sowie Schafweiden (Triften) und Hecken mit eingestreuten Obstbäumen in der Umgebung. Wegen der Wärme, die sich hier staute, sowie den vielen Vögeln, Libellen, Schmetterlingen und Lurchen, suchte ich das Gebiet oft auf. Manchmal mit einem Eimer ausgestattet, um Amphibien zu fangen.

Hier gab es Kamm-, Teich- und Bergmolche, aber auch den seltenen Fadenmolch. Ich beobachtete vor allem die Molche, wenn sie zum Luftholen an die Wasseroberfläche kamen, um sich blitzschnell wieder umzudrehen und mit schlängelnden Schwanzbewegungen wieder abtauchten. Längst hatte ich gelernt, dass der Zeitpunkt des Luftholens der beste zum Fangen war, denn ich ergriff einige und beförderte sie in meinen kleinen Eimer. Zuhause kamen sie dann für eine Weile in eine recht große Zinkwanne, die ich mit Wasserpflanzen, Schlamm und kleinen Ästen sowie Schiefersteinen ausgestattet hatte. Dort beobachtete ich das Balzverhalten der kleinen Tiere, wobei mir die Bergmolche besonders gut gefielen.

Heute macht es mich sehr traurig, dass unsere heimischen Amphibien immer seltener werden, obwohl ich immer wieder neue Hoffnung schöpfe, weil es so viele Menschen gibt, die sich maßgeblich für den Schutz und die Förderung der Bestände unserer Amphibien einsetzen! Deshalb ist es auch sehr zu begrüßen, dass die „Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde“ (DGHT e.V.) den Bergmolch Ichthyosaura alpestris zum „Lurch des Jahres 2019“ ausgerufen hat. Für mich gehört er mit zu den schönsten einheimischen Tieren, denn zur Paarungszeit im Frühjahr zeigen die Männchen einen blau-schwarzen Oberkörper, einen schmalen hell und dunkel gezeichneten Kamm und viele dunkle Flecken auf Kinn, Flanken und Beinen. Der seitlich abgeflachte Schwanz spielt bei der Paarungszeremonie durch seine wedelnden Bewegungen eine wichtige Rolle. Farblich am schönsten sind die hellen, mit dunklen Flecken versehenen, unten hellblau gesäumten Flankenstreifen und der leuchtend orangerötliche Bauch. Die etwas größeren Weibchen sind weit weniger auffällig gefärbt.

Obwohl der Bergmolch – wie sein Name verrät – vor allem bergige Regionen bewohnt, kommt er auch in tieferen Lagen regelmäßig vor. Man findet ihn in kleinen Wiesen- und Waldtümpeln, in mit Wasser gefüllten Wagenspuren (vor allem in Wäldern), aber auch in Gartenteichen und anderen stehenden Gewässern. Leider werden viele Tümpel und tiefe Wagenspuren immer häufiger zugeschüttet, sodass den Tieren der Lebensraum vielerorts genommen wird. Hinzu kommt zu hoher Pestizid- und Düngereinsatz in unserer Kulturlandschaft. Werden dann Teiche in Privatgärten angelegt, setzt man nicht selten Fische hinein, die zu erheblichen Bestandseinbußen der Molche führen, weil sie Laich, Larven und erwachsene Molche verzehren! Deshalb sollte man Gartenteiche besser nicht mit Fischen besetzen!

Noch wird der Bergmolch in der Roten Liste Deutschlands als „ungefährdet“ eingestuft, aber auch bei ihm zeigen sich deutliche Bestandsrückgänge. So bleibt zu hoffen, dass der außergewöhnlich hübsche Bergmolch in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, um stellvertretend auch für andere Amphibien auf die bedrohliche Lebenssituation aufmerksam zu machen. Wichtig sind dabei flächendeckende Kartierungen sowie der Erhalt und die Neuschaffung geeigneter Gewässer. Einhergehend zu diesen wichtigen Maßnahmen müssen Straßen und Wege, die von Amphibien zweimal im Jahr überquert werden, durch Straßensperrungen oder Amphibienzäune noch besser gesichert werden. Letztlich muss auch der Pestizid- und Düngeeinsatz in der Landwirtschaft, aber auch in anderen Bereichen, erheblich gedrosselt werden. Nur dann können sich künftige Generationen an den bunten Bergmolchen und anderen Tieren erfreuen, so wie ich in meiner Kindheit im NSG „Kehnaer Trift“.

Prof. Dr. Martin Kraft