Winterzeit – Ruhezeit in der Natur

Ein Bericht von Prof. Dr. Martin Kraft,
MIO - Marburger Institut für Ornithologie und Ökologie e.V.

Winterzeit – Ruhezeit in der Natur

Wenn die Felder geerntet sind, der Garten für den Winter vorbereitet wurde und wir uns auf die besinnliche Adventszeit und Weihnachten freuen, finden wir oft keine Ruhe, weil unser Leben schnell und hektisch geworden ist. Dann sollten wir uns in ein gemütliches Café setzen und einen Cappuccino oder Tee trinken, auf einem unserer schönen Weihnachtsmärkte bummeln oder in die Natur gehen. Da liegt sie friedlich vor uns, denken wir! Aber ist das wirklich so?

Tatsächlich sind viele Zugvögel dem Winter entflohen, weil es bei uns keine Nahrung gibt, aber andere Vögel bleiben hier, weil sie sich auch an kalte Temperaturen mit Schnee anpassen konnten. Die jungen Hornissenköniginnen haben sich längst in geschützten Bereichen versteckt, um im Frühling neue Brutkolonien zu gründen. Manche Schmetterlinge wie Tagpfauenaugen und Zitronenfalter überwintern sogar in einer Starre in unseren Häusern während sich echte Winterschläfer wie Murmeltiere, Bilche, Hamster und Fledermäuse in einen mehrere Monate andauernden Tiefschlaf versetzen, indem sie ihre Körpertemperatur und alle lebenswichtigen Lebens¬funktionen sehr stark herabsetzen! Andere wiederum halten eine Winterruhe, was heißt, dass sie ab und zu auch im Winter für kurze Phasen aktiv werden, z.B. Dachs und Eichhörnchen. Unsere Laubbäume ziehen alle Nährstoffe der Blätter in das Innere, werfen die Blätter ab und verschließen die Blattstiele. Da der Boden im Winter nicht selten gefroren ist, können sie so den Winter besser überstehen, denn die Wasserversorgung der Blätter ist nun nicht mehr nötig.

Dennoch können harte und schneereiche Winter zu großen Verlusten bei Tieren führen, weil sie keine Nahrung mehr finden. Wichtig ist, dass wir unsere Gärten und Felder vielfältig gestalten, dass wir Blühstreifen mit wichtigen Biotopen vernetzen und große Naturschutzgebiete ausweisen. Ferner sollten wir unsere Wälder nicht als Industrieanlagen verkommen lassen, um riesige Windräder hineinzustellen, die doch nur „Zappelstrom“ liefern. Wir brauchen unsere Bäume als echte Klimaschützer, egal ob das bei uns in Mitteleuropa, in Australien, Südostasien, in den Tropen Afrikas oder im Amazonasbecken Südamerikas ist. Unsere Natur braucht gerade im Winter viel Ruhe und Erholung, um sich im Frühling neu entfalten zu können. Dazu können wir auch direkt vor unserer Haustür einen Beitrag leisten. Gestalten wir unsere Gärten naturfreundlich und bieten wir den Vögeln sinnvolles und gesundes Futter an. Ich selbst habe mich seit meiner Kindheit dem Natur- und Artenschutz verschrieben, weil ich schon immer Tiere und Pflanzen liebte! Das hat sich bis heute nicht geändert. Gerade an Vogelfutterstellen kann man sehr viel über unsere Vogelwelt lernen. Hinzu kommt, dass man im heutigen Digitalzeitalter rasch schöne Fotos vom quirligen Leben an den Futterstellen machen und diese u.a. auch im Internet präsentieren kann. Dafür ist das Internet gut, denn man kann viele Menschen motivieren, sich für die Natur zu begeistern, um sie letztlich zu bewahren. Das gelingt aber nur, wenn man den richtigen Weg geht, der immer die Arten und Landschaften schützen muss, will man sie langfristig erhalten. Die Ruhe und Muße im Winter sollte man selbst auch nutzen, um wichtige Gespräche mit Gleichgesinnten zu führen und Andersdenkende nicht überfahren, sondern überzeugen!

Für mich ist die Advents- und Weihnachtszeit sehr schön, weil ich möglichst viele Facetten des menschlichen Lebens, aber vor allem die Ruhe in der Natur genieße! Wenn die letzten Kraniche manchmal noch Anfang Januar mit ihren klagenden Rufen nach Süden ziehen und wechselnde Muster in den Himmel weben, bleibe ich andächtig stehen und erinnere mich gern an meine liebe Mutter, wenn sie folgendes sagte:“ Martin, bedenke, dass es unterm Schnee schon Frühling ist!“

Prof. Dr. Martin Kraft