Warum bekommen Vögel keine kalten Füße?

Ein Bericht von Prof. Dr. Martin Kraft

MIO – Marburger Institut für Ornithologie und Ökologie e.V.

Diese Frage habe ich mir schon als kleiner Junge gestellt, aber als ich meine Eltern danach fragte, wussten sie es immerhin ein bisschen: “Die bekommen keine kalten Füße, weil sie schon kalte Füße haben!“

Wir Menschen haben es da schon schwerer, denn wir brauchen im Winter warme Socken und gefütterte Stiefel. Trotzdem müssen wir uns bewegen, um keine Frostbeulen zu bekommen. Wir verlieren an den Füßen zu viel Wärme, wenn wir sie der Kälte aussetzen. Und nichts ist schlimmer, als wenn man beispielsweise bei Zugvogelzählungen an einer Stelle stehen muss und kalte Füße hat, wenn über einem Massen von Kranichen ziehen. 

Deshalb gehe ich oft hin und her, um diesen unliebsamen Effekt zu vermeiden.

Doch wie machen es nun die Vögel?

Sie haben eine völlig andere Temperaturreglung als wir Menschen, obwohl sie ja auch gleichwarm wie wir sind. Ihre normale Körpertemperatur beträgt 40 Grad, aber in Richtung der Beine zeigen sie ein starkes Temperaturgefälle. Im Bauchbereich sind es etwa 35 Grad, im Unterschenkel 3 – 5 Grad und an den Sohlen der Zehen kann die Temperatur sogar unter 1 Grad betragen! Vögel haben in den Beinen ein so genanntes „Wundernetz“, das aus zahlreichen eng aneinander befindlichen Blutbahnen besteht. Vom Körper aus transportieren die Arterien warmes Blut in die Füße, während das Blut, das von den Füßen wieder in Richtung des Körpers fließt, kalt ist. Im „Wundernetz“ findet dann ein Wärmeaustausch statt, weil Arterien und Venen dicht beieinander liegen. Das aus den Füßen kommende kalte Blut kühlt das aus dem Körper kommende warme Blut ab und das zum Körper zurückfließende Blut wärmt sich wieder auf. In den Füßen der Vögel kommt also immer nur kaltes Blut an. Vögel haben demnach von Natur aus kalte Füße, denn sie verlieren keine Wärme an den Füßen wie wir Menschen. Sie können an den Füßen nicht frieren. Das ist wirklich sehr praktisch von der Natur eingerichtet, denn im Winter laufen Vögel über Eis oder sie schlafen darauf, aber das Eis kann nicht schmelzen. So haben sie auch auf Eis im Winter sicheren Halt. Wenn sie dann auf einem Bein schlafen, hat das nichts damit zu tun, dass sie an den Füßen frieren, sondern es scheint für Vögel sehr bequem zu sein, auf einem Bein zu stehen, zu schlafen oder gar herumzuhoppeln, wie es viele Limikolen tun.

Es ist sehr bemerkenswert, welche „Erfindungen“ die Natur hat, um die Vögel an ihre Lebensräume im Winter anzupassen. Bei uns Menschen hingegen helfen Wollsocken und gefütterte Schuhe, um auch die kalten Wintertage ohne Frostbeulen zu überstehen!